Rede bei der Gedenkdemonstration für Mouhamed Lamine Dramé am 12. August 2023 in Dortmund

Vor einem Jahr erschoss die Dortmunder Polizei unseren 16-jährigen Bruder Mouhamed Lamine Dramé. Morde von staatlichen Institutionen an schwarzen Menschen haben in diesem Land Kontinuität. Christy Schwundeck, Oury Jalloh und Achidi John, sie alle wurden auf brutale Art und Weise von diesem Staat und seinen Vertretern getötet. Ihre Mörder wurden nie zur Rechenschaft gezogen und bekleiden heute ganz im Gegenteil die höchsten Positionen in diesem Staat. Diese Morde ausgehend von staatlichen Institutionen sind keine Systemfehler, sie sind Konsequenz einer im Kern rassistischen Polizei. 

Dieser von der Polizei ausgehende anti-Schwarze Rassismus äußert sich nicht nur in den rassistischen Ansichten einzelner Bullen, sondern ist Kernbestandteil von Polizeiarbeit im bürgerlichen Klassenstaat. Die rassistische Markierung ganzer Stadtgebiete als „gefährliche Orte“ in denen die Polizei nach Belieben racial profiling praktizieren kann, sowie die aktive Vertuschung faschistischer Netzwerke innerhalb der Polizei, führen zur Entmenschlichung Schwarzer Menschen. Diese rassistischen Praktiken entwickeln eine mörderische Eigendynamik, die Schwarze Leben für die bewaffnete Schutzmacht dieses Staates entbehrlich macht. Die Reformforderungen nach Tasern statt Schusswaffen oder etwa einer Rassismusstudie für die Polizei sind inkonsequent und falsch. Die Polizei ist in ihrer Funktion bewaffneter Wächter der herrschenden Klasse, ihres Wirtschaftssystems und ihrer Eigentumsverhältnisse, gegen all diejenigen die in dieser Gesellschaft am weitesten unten stehen. 


Seit jeher ist die Hauptaufgabe der Polizei, Eigentum zu schützen, explizit nicht Menschenleben. In den USA nahm sie ihren Anfang als Sklavenfänger, in Deutschland mordete die Polizei im Holocaust für die Bereicherung der Nazis munter mit und machte nach 1945 mit dem selben Personal und den selben Dienstvorschriften weiter, als wäre nichts geschehen. Deshalb ist die Polizei so begabt darin, alle Proteste niederzuschlagen und alle Menschen ins Gefängnis zu sperren, die den Profit der Konzerne bedrohen, aber können nicht mit Empathie und Hilfsbereitschaft auf den psychischen Ausnahmezustand eines Mitmenschen reagieren, sondern nur mit Pistolenkugeln.
Dieser grundlegende Charakter der Polizei lässt sich nicht einfach weg reformieren. Ein Ende von rassistischer Polizeigewalt kann es nur mit der Überwindung der herrschenden Verhältnisse geben. Solange der Kapitalismus und die mit ihm verbundenen Unterdrückungssysteme existieren, solange wird rassistische Polizeigewalt fortbestehen.
Eine psychische Krise kann jeden von uns treffen, erst recht wenn wir jeden Tag entmenschlicht und unserer Würde verweigert werden. Wenn eine Polizei, von der behauptet wird, dass sie zu unserem Schutz da sei, uns nur noch mit Blei zu helfen weiß, dann sagen wir: Diese Polizei ist eine böswillige Verschwendung unserer Ressourcen.

Wenn ihr über 16 seid, denkt an alle Dinge, die ihr seitdem erlebt habt, alle Erfahrungen und schöne wie auch schlechte Zeiten mit euren Mitmenschen. Mouhamed wurde diese Zukunft geraubt, gestohlen von Erwachsenen Männer, die sich hinter ihren Maschinenpistolen viel zu wohl fühlen. Jetzt stehen sie hier mit Kampfrüstung und Schlagstock und wollen uns zeigen, dass Widerstand zwecklos ist, aber wenn wir uns solidarisch organisieren werden sie sehen, dass sich Menschenwürde nicht niederschießen und niederknüppeln lässt. Die Geschichte zeigt uns, dass Unterdrückte sich immer gegen ihre Unterdrücker erheben werden, und mit ihrer Gewalt zeigt die Polizei klar, dass ihre einzige Aufgabe Zwang und Unterdrückung ist. Sprecht mit euren Schwarzen Geschwistern über die Gewalt, der wir ausgesetzt sind, und verbündet euch! Überlegt gemeinsam, wie wir uns aktiv echten Schutz bieten und eine gerechtere Zukunft gestalten können! Die Befreiung wird nicht von allein kommen, wenn wir uns nicht selber von diesen Verhältnissen befreien! Es hilft kein Bitten und kein Fordern! Kümmern wir uns selbst drum!

 In Gedenken an Mouhamed Lamine Dramé, Christy Schwundeck, Achidi John und Oury Jalloh und alle Opfer rassistischer Polizeigewalt, von denen wir wahrscheinlich nicht einmal wissen. In Gedenken an unsere in Polizeigewahrsam sterbenden Geschwister. In Gedenken an unsere an den Außengrenzen Europas sterbenden Geschwister. In Gedenken an unsere von Rassisten ermordeten Geschwister. Rest in power

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