Rede der Panthifa zum African Liberation Day am 25. Mai 2021

Der African Liberation Day am 25. Mai fand das erste Mal 1963 statt. Auch heute, 58 Jahre später noch ist er kein Tag zum feiern, sondern zum kämpfen. An eben diesem 25. Mai 1963 trafen sich erstmals unabhängige afrikanische Staaten, um die Organization of African Unity auszurufen. Diese von Ghanas Präsidenten Kwame Nkrumah initiierte Allianz wurde von den imperialistischen Kräften der sogenannten Industrienationen Europas und der USA bei jeder Gelegenheit manipuliert mit Ausbeutung und Gewalt. Im Sinne des globalen Kapitalismus durfte Afrika auf keinen Fall eine egalitäre, panafrikanische Erfolgsgeschichte werden. Viele Revolutionäre des Kontinents wurden in den letzten 58 Jahren im Namen des Imperialismus ermordet, revolutionär panafrikanische Regierungen mit Unterstützung westlicher Geheimdienste gestürzt und Ressourcen gestohlen.

Doch der African Liberation Day soll auch an die Erfolge unserer Ancestors erinnern: Trotz aller Widrigkeiten ist die moderne Geschichte Afrikas voll mit Revolutionären, die dem Imperialismus getrotzt haben: Burkina Fasos Thomas Sankara, Mozambiques Samora Machel, Guineas Sékou Touré und M’balia Camara, Tanzanias Julius Nyerere, Süd Afrikas Winnie Mandela, Kongos Patrice Lumumba, Ghanas Kwame Nkrumah und Jerry Rawlings, um nur einige zu nennen, haben uns gezeigt wie ein Freiheitskampf auf dem Kontinent aussehen kann. Ihre Kämpfe führten nicht zuletzt 1994 zum Sturz des Apartheidsregimes, das bis zuletzt von imperialistische Kräften gestützt wurde um den Kontinent zu destabilisieren. Dies war ein massiver Sieg auf dem Weg zum revolutionären Panafrikanismus.

Die Befreiung aller Schwarzen Menschen weltweit von der Unterdrückung des globalen Rassismus und der Entmenschlichung kann nur unter einem freien Afrika, vereint unter revolutionärem Panafrikanismus beginnen. Das Schicksal aller Schwarzen Menschen weltweit ist an die Unterdrückung Afrikas gekoppelt, die Weiße nur durch ihren Rassismus vor sich selbst rechtfertigen können. Nur durch die Überwindung des Kapitalismus, der Profit weltweit über Gerechtigkeit stellt, können wir frei sein.

Auch Deutschland nimmt eine Schlüsselrolle in den bis heute andauernden Verbrechen ein. Der vom deutschen Kaiserreich begangene Genozid an den Ovaherero und Nama wurde über ein Jahrhundert lang von Deutschland nicht anerkannt. Zwei ganze Völker wurden zum Großteil in Konzentrationslagern ausgelöscht, die wenigen Überlebenden traumatisiert und ohne Unterstützung erst unter deutscher, dann südafrikanischer Apartheidsherrschaft zurückgelassen.
Mittlerweile soll ein scheinheiliges Aussöhnungsabkommen mit Namibia abgeschlossen werden, welches die Forderungen der Opfergruppen missachtet und die namibische Regierung mit einer lächerlichen Summe abspeisen soll, die die koloniale sogenannte Entwicklungshilfe der letzten 30 Jahre nicht übersteigt. Diese Beleidigung und Missachtung Deutschlands seiner eigenen Verbrechen ist nichts weiter als die Fortsetzung des Neokolonialismus.

Leider ist der 25. Mai nicht nur ein Tag der geschichtlichen Reflexion, auch in jüngster Vergangenheit ist er Grund für massiven Schmerz Schwarzer Menschen. Die Ermordung George Floyds ist nun ein Jahr her. Die Grausamkeit des Mordes durch eine Gruppe Polizisten, der in seiner Gänze auf Social Media verbreitet wurde, mündete in einen emanzipatorischen antirassistischen Aufstand, dem die US-Regierung mit massiver Repression begegnete, die zu noch mehr Opfern faschistischer Polizeigewalt führte. George Floyds Ermordung war kein Einzelfall und unser Kampf begann und endet nicht mit ihm oder der Verurteilung der Täter. Unser Kampf kann und darf nicht weniger erreichen als die komplette Abschaffung der Institution Polizei.

Auch in Deutschland ist Polizeigewalt ein Problem. Am 19. Mai, jährte sich zum 10. Mal die Ermordung Christy Schwundecks durch deutsche Polizisten. In einem Jobcenter in Frankfurt wurde sie erschossen, als sie sich für ihre Würde und Grundsicherung einsetzte, die der deutsche Staat und seine Institutionen ihr verweigerten. Bis heute ist dieser Fall weder ausreichend aufgeklärt noch in der Öffentlichkeit bekannt.
Die Ermordung Christy Schwundecks war kein Ausrutscher oder Systemfehler. Die Polizei und das Jobcenter haben genau im Sinne ihrer Aufgabengebiete gehandelt: Die Sicherung deutscher Kapitalinteressen gegen alle, die durch Unterdrückungsmechanismen wie in diesem Fall Rassismus nichts wert sind.
Die Polizei schützt keine Menschen. Sie schützt Eigentum und Kapital. Und das Kapital liegt in den Händen der Unterdrücker. Egal wie sehr wir betteln, es ist unmöglich das Unterdrückungskonzept Polizei in unserem Sinne zu verbessern, zu optimieren, zu reformieren. Unser Ziel muss bis zuletzt Abschaffung bleiben.

Ohne Kapitalismus brauchen wir keine Polizei. Ohne Kapitalismus existieren die Mehrheit der Straftatbestände, für die Menschen in Gefängnissen sitzen, nicht mehr. Die Alternativen zu Polizei sind communitybasierte gegenseitige Unterstützung, Rücksichtnahme und Solidarität.

Warum ist das Leid Schwarzer Menschen so offensichtlich, warum ist so offensichtlich was getan werden muss, um unsere Situation zu verbessern, und doch sind selbst die kleinsten Fortschritte und Erfolge für uns so hart erkämpft?

Trotz einer Vielzahl an öffentlichen Diskursen, Veröffentlichungen und Reflexionen zum Thema Rassismus, die sich spezifisch an weiße richten, verstehen sie immer noch ihre Rolle im System der White Supremacy nicht. Rassismus ist kein individuelles Problem, aus dem wir uns herausbilden und workshoppen können, sondern eine Struktur, die uns von Tag 1 unseres Lebens unterdrückt oder eben erhöht. Diese Strukturen können wir nicht aus uns herausbekommen, solang wir sie nicht zerstört haben. Ein Heilungsprozess kann erst beginnen, wenn Rassismus, Imperialismus und Kapitalismus in ihrer weltumspannenden Vollkommenheit zerschlagen wurden.

Weiße müssen deshalb verstehen, dass sie die Unterdrücker sind und sich durch Aneignung unserer Kämpfe, unserer Sprache und unserer Bilder nicht aus ihrer Schuld herauspositionieren können. Mit Sätzen wie „Wir bluten alle das gleiche Blut“ oder „Ich sehe keine Hautfarben“ verneinen Weiße ihre Vormachtsstellung in einem System, das mit Gewalt ihre Interessen durchsetzt. Egal ob in ihrer Stadt im Jobcenter, über dem Atlantik in den USA, oder durch Ressourcenklau, Ausbeutung und Genozid im Mutterland Afrika.

Deshalb unser Aufruf an unsere Schwarzen Geschwister auf der ganzen Welt: Warten wir nicht vergebens darauf, dass weiße uns unsere Freiheit geben: Nehmen wir sie uns! Sie werden uns niemals Freiheit geben, weil sie von unserer Unterdrückung profitieren. Sprecht mit euren Geschwistern über Rassismus, Politik und Kapitalismus. Setzt euch mit den Kämpfen unserer Ancestors auseinander. Gründet Gruppen und Organisationen, schließt euch ihnen an. Lasst uns für unsere Befreiung und die Befreiung unseres Kontinents zusammen kämpfen. Der Westen hat uns zu lange unterdrückt, es ist an der Zeit aufzustehen und uns zu nehmen, was uns gehört.
Power to the People!

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